Geschlechtsidentitäten
In Liechtenstein ist es bislang in offiziellen Dokumenten und Formularen nicht möglich, eine dritte, von den binären Geschlechtskategorien (männlich/weiblich) abweichende Geschlechtsangabe einzutragen. Dies verletzt die Menschenrechte von nichtbinären und intersexuellen Personen. Der VMR fordert daher, die rechtlichen Voraussetzungen für die Einführung einer dritten Geschlechtskategorie „divers“ im Zentralen Personenregister sowie in allen weiteren Registern und Dokumenten mit Geschlechtsangaben zu schaffen. Dafür sind Anpassungen im Personen- und Gesellschaftsrecht sowie die Einführung eines modernen Personenstandsgesetzes notwendig.
Transpersonen, die ihren Geschlechtseintrag ändern möchten, stehen aktuell nur eingeschränkte rechtliche Möglichkeiten offen. Bereits 2020 legte der VMR der Regierung Empfehlungen zur Stärkung der Rechte von LGBTIQA+ vor, darunter die Schaffung eines modernen Personenstandsgesetzes, um Rechtssicherheit bei Geschlechtsanpassungen zu gewährleisten. In Folge eines gemeinsamen Vorstosses von VMR und dem Verein Flay entwickelte das Zivilstandsamt einen Leitfaden, der eine einheitliche und menschenrechtskonforme Vorgehensweise sicherstellt, den Antrag auf Änderung des Geschlechtseintrags erleichtert und die Regelung transparenter macht. Um jedoch vollständige Rechtssicherheit für Transpersonen zu gewährleisten, ist weiterhin eine gesetzliche Grundlage erforderlich.
Ein modernes Personenstandsgesetz einführen, das die Möglichkeit zum Eintrag einer dritten Geschlechtskategorie im Personenregister und anderen offiziellen Dokumenten schafft.
Es gibt keine Daten über intersex geborene Kinder [bezeichnet Menschen, die mit körperlichen Geschlechtsmerkmalen (Chromosomen, Hormone, innere oder äussere Geschlechtsorgane) geboren werden, die nicht den medizinischen oder gesellschaftlichen Normvorstellungen von „männlich“ oder „weiblich“ entsprechen.]. Weder über Anzahl noch über das Vorliegen einer standardisierten medizinische Beratung der Eltern oder Behandlung. Internationale Menschenrechtsgremien wie der UNO-Ausschuss gegen Folter (CAT) und der UNO-Kinderrechtsausschuss (CRC) kritisieren geschlechtszuweisende Operationen, die ohne medizinische Notwendigkeit und ohne die freie, informierte Zustimmung der betroffenen – auch minderjährigen – Personen durchgeführt werden, als schwerwiegenden Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und das Selbstbestimmungsrecht. Solche Eingriffe verstossen u. a. gegen Art. 3 und Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie gegen Art. 12 und 16 der UNO-Kinderrechtskonvention. Um die Situation zu erfassen und menschenrechtskonforme Standards zu entwickeln, sollte die seit 2018 von der Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarats (ECRI) empfohlene Studie zur Lage von LGBTQIA+ in Liechtenstein dringend umgesetzt werden und ausdrücklich auch den Umgang mit intersex Personen einbeziehen.
Geschlechtsangleichende Operationen bei intersexuell geborenen Kindern ohne medizinische Notwendigkeit und ohne informierten Entscheid verbieten und die medizinische Beratungs- und Behandlungspraxis von intersexuell geborenen Kindern im Rahmen der geplanten Studie zur Situation von LGBTIQA+ untersuchen.