Rechtliches Gehör und kinderfreundliche Justiz
Der UNO-Kinderrechtsausschuss forderte Liechtenstein 2023 dringlich auf, Massnahmen für die Achtung der Meinung des Kindes und für die Gewährung des rechtlichen Gehörs zu treffen. Dazu gehört eine bessere Anhörung bei Familienentscheidungen und eine wirksame und eigenverantwortliche Beteiligung aller Kinder, insbesondere auch jüngerer Kinder in Familie, Gemeinschaft, Schule und Justiz.

Abbildung: Der Europarat und die UNO machten konkrete Vorgaben für die kind- gerechte Anhörung eines Kindes und einer kinderfreundlichen Justiz. Foto: Deutsches Institut für Menschenrechte
Alle Kinder haben das Recht auf Anhörung und Mitwirkung im Rechtssystem bei Angelegenheiten, die sie betreffen. Das ist in Artikel 12 der UNO-Kinderrechtskonvention geregelt. Das gilt z.B. bei Scheidungs- oder Sorgerechtsverfahren, Pflegschafts- oder Adoptionsverfahren, aber auch bei Strafverfahren, in denen Kinder und Jugendliche involviert sind. Der Ministerrat des Europarats hat zur Umsetzung dieser Mitwirkungsrechte 2010 Leitlinien für eine kinderfreundlichen Justiz entwickelt. Demnach muss eine kinderfreundliche Justiz so ausgestaltet sein, dass die Rechte, Bedürfnisse und das Wohl von Kindern in allen Rechtsverfahren besonders berücksichtigt werden. Es muss sichergestellt sein, dass Kinder in Gerichtsverfahren gehört werden, begleitet und altersgerecht informiert sind sowie Schutz vor weiteren Belastungen erhalten. Dazu gehört auch, dass Verfahren kindgerecht gestaltet werden, etwa durch verständliche Sprache, Schutz der Privatsphäre und spezialisierte Fachkräfte. Dafür müssen Gericht und Anwaltschaft sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter geschult und Gerichts- oder Anhörungsräume kindgerecht eingerichtet werden. Ziel ist, dass sich Kinder und Jugendliche frei äussern und das Justizsystem für sie nicht einschüchternd, bedrohlich oder traumatisierend wirkt.
Die Ombudsstelle für Kinder und Jugendliche ist seit Jahren durch ihre Fallarbeit, die Koordination der Arbeitsgruppe zum Thema Obsorge und die Mitwirkung in der Evaluierung des Kindschaftsrecht mit dem Recht auf Gehör von Kindern und Jugendlichen befasst. Im Berichtsjahr setzte sie sich mit Möglichkeiten für eine systematische Untersuchung und Verbesserung der Mitwirkungsrechte von Kindern und Jugendlichen in Rechtsverfahren ein und erarbeitete die Grundlagen für eine wissenschaftliche Studie. Gleichzeitig initiierte sie gemeinsam mit der Liechtensteinischen Rechtsanwaltskammer ein Pilotprojekt zum Aufbau einer Kinderanwaltschaft in Liechtenstein. Die Umsetzungsarbeiten sind für 2025 vorgesehen.