Jugendkriminalität und Jugendhaft
Die Landespolizei ermittelte im Berichtsjahr gegen 45 jugendliche Tatverdächtige (Vorjahr 44); grösstenteils wegen Körperverletzungen, gefolgt von gefährlichen Drohungen und Sachbeschädigungen. Eine deutliche Mehrheit der Tatverdächtigen - 36 von 45 Personen – war männlich. Der Anteil an nicht strafmündigen Tatverdächtigen stieg im Vergleich zum Vorjahr an. Waren im Jahr 2023 mit 21 Personen fast die Hälfte unter 14 Jahre alt, so senkte sich dieser Anteil im Berichtsjahr mit 15 Personen auf ein Drittel. Zwei Drittel der Tatverdächtigen waren liechtensteinische Staatsangehörige. Insgesamt wies die Landespolizei mit 35 deutlich weniger Gewalttatbestände aus als im Vorjahr (61) aus. Damit relativierte sich der letztjährig Anstieg der Jugendkriminalität und die Besorgnis um junge, nicht strafmündige Tatpersonen. Was die Verurteilungen angeht, so weist die Strafurteilsstatistik des Schweizer Bundesamts für Statistik eine längerfristige Abnahme aus, auch wenn kurzfristige Schwankungen bestehen.
2024 waren wie in den beiden Vorjahren keine minderjährigen Personen in Liechtenstein inhaftiert. Jugendliche Ersttäterinnen und -täter erhalten häufig eine zweite Chance oder Bewährungsstrafe. Liechtenstein kann derzeit gemäss Auskunft der Gefängnisleitung keinen kinderrechtskonformen Haftvollzug – auch nicht in der Untersuchungshaft – gewährleisten. Zwar besteht eine zwischenstaatliche Vereinbarung zwischen Liechtenstein und Österreich für den Haftvollzug von liechtensteinischen Personen in Österreich. Für den Massnahmenvollzug (d. h. Haftformen mit Therapiemöglichkeiten) für Jugendliche fehlen jedoch oft Plätze. Eine Unterbringung von Jugendlichen in Schweizer Haftanstalten, z. B. im Ostschweizer Konkordat, ist nicht möglich, da die Schweiz selbst zu wenig Unterbringungsplätze hat. Entsprechend besteht kein Wille für eine Übernahme jugendlicher Häftlinge aus Liechtenstein auf der Basis einer zwischenstaatlichen Vereinbarung.
Der Haftvollzug im Ausland verursacht für Jugendliche im Hinblick auf den Erhalt ihrer familiären und sozialen Kontakte besondere Schwierigkeiten. Seit zwei Jahren besteht unter dem Vorsitz des Kinder- und Jugenddienstes eine Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung einer Vorgehensweise für Jugendliche in Haft. Unter anderem wird dazu das österreichische Modell einer Sozialnetzkonferenz als Vorgangsweise für Jugendliche in Untersuchungshaft geprüft. Dieses würde vorsehen, dass alle relevanten Personen im sozialen Umfeld der Jugendlichen in Untersuchungshaft (Eltern, Verwandte, Nachbarn, Lehrpersonen, Sozialarbeitende, Ausbildende und Arbeitgebende, Kinder- und Jugenddienst, Bewährungshilfe) schriftlich vereinbaren, wer welchen Beitrag zur Verbesserung der Situation leisten kann, damit Jugendliche in der Folge deliktfrei bleiben.
Eine Jugendhaft in Zusammenhang mit den Artikeln 58-59a des Ausländergesetzes (AuG) ist grundsätzlich möglich. Allerdings haben die Behörden wie in den vergangenen Jahren auch im Berichtsjahr keine Ausschaffungshaft oder Haft im Rahmen des Dublin-Verfahrens gegenüber Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren verhängt. Somit war keine Person unter 18 Jahren gestützt auf das AuG inhaftiert. Die ausländerrechtliche Haft für Jugendliche ab 15 Jahren, wie sie Art. 60 Abs. 2 AuG vorsieht, widerspricht jedoch der Kinderrechtskonvention. Dies stellt der UNO-Ausschuss für die Rechte des Kindes in seinen Allgemeinen Bemerkungen fest: selbst wenn das Übereinkommen solche Inhaftierungen als letztes Mittel erlaube, dürfen Personen unter 18 Jahren gemäss dem Grundsatz des Kindeswohls (Art. 3 KRK) in der Regel nicht inhaftiert werden, unabhängig davon, ob sie sich in Begleitung eines Erwachsenen befinden oder nicht. Aktuell ist jedoch keine Anpassung dieser Bestimmung im AuG vorgesehen und die Forderung bleibt pendent.
Die Arbeiten für ein Konzept zur Umsetzung eines Jugendstrafvollzugs im Inland schnell abschliessen und die ausländerrechtliche Haft für Personen unter 18 Jahren abschaffen.