Recht auf Einheit der Familie umsetzen

16.01.2020
Auszug aus dem Volksblatt-Artikel vom 16.01.2020

«Das Recht auf die Einheit der Familie und das Kindeswohl sind in der Europäischen Menschenrechtskonvention und in der UNO-Kinder-rechtskonvention verankerte Menschenrechte.» So wird Margot Sele von der Ombudsstelle für Kinder und Jugendliche (OSKJ) im Volksblatt-Artikel zitiert, der von der Redaktion unter den Schwerpunkt «Liechtenstein verstösst gegen Menschenrechte» gestellt wurde. Dabei geht es um gesetzliche Hürden bei der Einwanderungspolitik, insbesondere beim Familiennachzug für Drittstaatsangehörige, also nach dem Ausländergesetz (AuG).

Beispielhaft wird der Fall der Somalierin Naiima Ahmed dargestellt. Sie ist alleinerziehende Mutter von fünf Kindern. Der Vater von drei Kindern, mit dem sie mittlerweile auch standesamtlich verheiratet ist, lebt jedoch in Lausanne in der Schweiz. Bisherige Versuche, ihn nach Liechtenstein nachzuziehen, scheiterten an den strengen Kriterien für den Familiennachzug des AuG.

Die Stellungnahme des VMR zur allgemeinen Thematik ist nachfolgend festgehalten:

«Das Recht auf die Einheit der Familie und das Kindeswohl sind in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und in der Kinderrechtskonvention verankerte Menschenrechte. Liechtenstein hat zwar beide Konventionen ratifiziert, doch zu gewissen Artikeln Vorbehalte eingerichtet. So zu Art. 10 der Kinderrechtskonvention, welcher besagt, dass Anträge auf Familiennachzug, welche das Kindeswohl und die Einheit der Familie betreffen, von den Staaten wohlwollend, human und beschleunigt behandelt werden sollten. Wegen dieser Vorbehalte und aufgrund der Bestimmungen im Ausländergesetz kommt es immer wieder vor, dass gewisse Familien gar nicht oder erst nach Jahren zu-sammengeführt werden können. Dies bedeutet grosses Leid für die Betroffenen, wie z. B. Entfremdung zwischen Eltern und Kind oder Überforderung des alleinerziehenden Elternteils. Auf Basis seiner Fallarbeit stellt der Verein für Menschenrechte in Liechtenstein (VMR) hier eine menschenrechtliche Problematik fest, die das Recht auf Ein-heit der Familie und das Kindeswohl betrifft. Deshalb richtete sich der VMR im August 2019 mit einem Schreiben an das Ministerium für Inneres und empfahl darin die Einführung einer Härtefallregelung im Ausländergesetz, welche es in speziellen Fällen ermöglicht, das Recht auf Familie durch einen Familien-nachzug zu gewähren, auch wenn nicht alle Bestimmungen erfüllt sind. Weiter forderte er die Regierung auf, einen Rückzug der Vorbehalte in internationalen Übereinkommen, die den Familiennachzug einschränken, zu prüfen. Der VMR machte die Regierung auch auf die Empfehlung Nr. 5 des UNO-Kinderrechtsausschusses aus dem Jahr 2006 aufmerksam. Darin wird Liechtenstein nahegelegt, notwendige rechtliche und andere Schritte zu unternehmen, um eine Familiennachzugs- und Einbürgerungspraxis zu schaffen, welche mit den Grundsätzen und Bestimmungen der Kinderrechtskonvention vereinbar ist und einen Rückzug der entsprechenden Vorbehalte in naher Zukunft in Erwägung zu ziehen. Darüber hinaus plädiert der VMR für eine behördliche Praxis, die im Einzelfall den bestehenden gesetzlichen Spielraum zum Schutz der Menschenrechte von Betroffenen nutzt und sich nicht vom Gedanken der Zuwanderungsbegrenzung leiten lässt. Tatsächlich kann es für Ratsuchende sehr schwierig sein, die ihnen zustehenden Auskünfte zu erhalten. Im Sinne des Rechtes des Kindes auf beide Eltern müssten alle Behörden bemüht sein, bezüglich Familienzusammenführung möglichst rasch Lösungen im Rahmen der bestehenden Gesetze zu finden. Da die Rechtslage je nach Situation unterschiedlich und auch komplex sein kann, braucht es eine enge Zusammenarbeit zwischen allen involvierten Behörden und die Bereitschaft, den nötigen Aufwand für die entsprechenden Recherchen und die Beratung der Eltern zu betreiben.»